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Mittwoch, 6. Februar 2008

Ratte im Kalender, Hund auf dem Tisch

Kaum haben wir Fastnacht hinter uns gebracht, steht schon das nächste Großereignis an: Das Chinesische Neujahrsfest. Auch wenn es uns vorkommt, als hätten wir vor rund einem Monat erst ein neues Jahr begonnen, ist heute, am 6. Februar, der letzte Tag des alten Jahres. Mit dem siebten beginnt dann das Jahr im Zeichen der Ratte.

„Chinese New Year“ ist DAS Fest schlechthin in China, vergleichbar mit Weihnachten in der westlichen Welt. Viele Millionen Menschen machen sich dazu auf den Weg in ihre Heimat zu ihren Familien. Für viele Wanderarbeiter ist es das einzige Mal im Jahr, das sie Eltern, Kinder oder Ehepartner treffen. Deshalb wird natürlich üppig und über mehrere Tage gefeiert.

Freundlicherweise hat uns unser Chinesisch-Lehrer eingeladen, das Neujahrsfest mit ihm und seiner Familie zu verbringen. Deshalb haben wir uns heute Morgen mit unserem Fahrer auf den Weg in das rund 300 km von Shanghai entfernte Xin Chang aufgemacht. Mit dabei hatten wir einige Geschenke für die Familie und die Verwandten und eine Portion Spannung, worauf wir uns da wohl eingelassen haben könnten.

Gegen Mittag erreichten wir Xin Chang, wo uns unser Lehrer (chin. "lǎo shī") empfing. Er wohnt in einem kleinen Dorf außerhalb der Stadt, so dass wir die Fahrt noch eine Weile gemeinsam fortsetzten. Schließlich erreichten wir das Haus, in dem die Familie in recht einfachen Verhältnissen wohnt. Die Innenwände sind weitestgehend nackt, bestenfalls bemalt, und es gibt keine Heizung. Deshalb behielten wir unsere Jacken an, die anderen Familienangehörigen trugen auch dicke Winterjacken.

Nach einer kurzen Vorstellungsrunde gab es für unsere Fahrer und uns ein leckeres Mittagessen. Alles recht zivil, so dass sich unsere ersten Befürchtungen, was das Essen anging, zunächst verflüchtigten. Großzügig würde heißer gelber Wein ausgeschenkt. Nicht nur bei der Mittagsmahlzeit beeindruckte uns die Gastfreundschaft unserer Gastgeber. Wir wurden sehr herzlich aufgenommen.

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Die Tage rund um das Neujahrsfest verbringen die chinesischen Familien sehr viel Zeit zusammen. Es wird erzählt, ferngesehen, gespielt. Die beiden ersten Optionen fielen aus, denn unser „Hoch-Chinesisch“ ist zu schlecht und die Familie spricht noch dazu Dialekt. Also wurden wir kurzerhand in die Regeln des traditionellen Mah-Jongg-Spiels eingeführt. (Das funktioniert so ähnlich wie Rummi, weshalb die Tochter aus dem Hause Hack einen nicht zu unterschätzenden Vorteil mitbrachte. ;-)) Danach wurden viele Runden gespielt, wobei wir jeweils einen Assistenten an unserer Seite hatten. Bemerkenswert der vollelektronische Mah-Jongg-Tisch in der Mitte des kargen Raumes, der auf Knopfdruck Steine verschlucken konnte, mischte und anschließend portionsweise wieder an die Oberfläche beförderte!

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Nach dem Spiel gab es im Haus des Onkels ein großes Abendessen. Wie üblich wurden unzählige Gerichte aufgefahren und in der Mitte des runden Tisches auf einem drehbaren Untersatz positioniert. Da waren dann auch Dinge dabei, die bei der Bauernschänke in der Unterortstraße nicht unbedingt auf die Tageskarte kommen würden: Es gab Hund, es gab Schildkröte, es gab Schlange. Die ersten beiden haben wir probiert, die Schlange ging nicht, keine Chance. Ansonsten konzentrierten wir uns auf vertraute Zutaten, was bei der großen Auswahl nicht schwer fiel.

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Es ist Tradition, dass jedes Mitglied der Gastgeberfamilie jedem Gast einmal Wein nachschenkt. Insofern kamen wir auch heute bei den Getränken nicht zu kurz. Quasi als Dessert spielte der Sohn des Hauses einige kurze Lieder auf einer seltsamen Trompete und einer Flöte, wobei wir uns in Anbetracht des allseits hoffnungsvoll erwarteten Rattenjahres die Geschichte vom Hammelner Rattenfänger gerade noch verkneifen konnten. Bianka präsentierte anschließend einen selbstgebackenen Marmorkuchen, der auf großes Interesse stieß. (Von der Schildkröte war nach dem Essen mehr übrig als vom Kuchen…)

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Im Anschluss wurde eine neue Spielerunde eingeläutet, wobei nun ein kurzweiliges Würfelspiel um etwas Geld an der Reihe war. Unglücklicherweise war das Glück auf Biankas Seite, und meine Frau dürfte an diesem Abend einige Rentner um einen nicht unerheblichen Teil ihrer Monatsrente gebracht haben. Es war aber wirklich nichts zu machen, die Würfel vielen einfach für sie. Interessanterweise stießen aus der Nachbarschaft immer mal wieder Mitspieler für einige Runden zu uns und verschwanden ebenso unauffällig wieder. Gegen halb acht endete das Spiel und wir verabschiedeten uns für diesen Tag.

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Inzwischen sind wir in unserem Hotel in der Stadt. Wir sind froh, dass wir uns für die Hotelübernachtung entschieden haben. Nicht nur, dass wir ganz schön durchgefroren waren und furchtbar nach dem Rauch des provisorischen Kohlenfeuers riechen, sondern einfach die Tatsache, dass dieser Tag so voller China-Erfahrungen war, dass wir uns einfach für ein paar Stunden zurückziehen müssen. Es ist bemerkenswert wie „anders“ das Leben sein kann.

Während wir unsere Klimaanlage auf Kurs bringen und es uns schön warm machen, wird draußen tausendfach wild mit Feuerwerk experimentiert, es blitzt und knallt. Das ist schon seit Stunden so, und wird wohl auch noch viele Stunden so weiter gehen. Wir bleiben noch bis Freitag oder Samstag hier vor Ort und werden sicherlich noch einiges erleben. In diesem Sinne: Frohes Neues! :-)

"Fat Tuesday" im Hofbräuhaus

Wie angekündigt verbrachten wir den gestrigen Abend im Hofbräuhaus Shanghai zum "Fat Tuesday". Diesmal waren wir was Verkleidung anging, etwas besser ausgerüstet und konnten uns mit unseren neuen Super-Krawatten und Schminke zumindest etwas in Schale werfen. Die ersten überraschten Blicke kassierten wir dann auch bereits in der Lobby unseres Wohnblocks. :-)

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Zumindest Biankas Kostüm sorgte auch im weiteren Verlauf des Abends für viel Gesprächsstoff, meins eher für Mitleid. Die anderen Gäste waren gar nicht bis umfassend kostümiert, so dass wir uns im oberen Mittelfeld der gefühlten Kostümskala wiederfinden konnten. (Den Hauptpreis für das beste Kostüm gewann eine Chinesin, die in einem roten Funkenmariechenkostüm auftrat, und auch sonst offensichtlich viel Spaß an Fastnacht hatte. Allerdings musste sie später dem reichlich fließenden Gerstensaft Tribut zollen und baute rapide ab.)

Es gab ein leckeres Buffet mit allerhand deutschen Spezialitäten, auf das nicht nur wir uns stürzten. Von der Brezel, über den Krautsalat mit Speck bis zum Leberkäs' war alles da. Sogar süßen Senf gab es! Dazu spielte wieder die bayerische Zwei-Mann-Kapelle, die wir bereits nach der Kohlfahrt kennen gelernt hatten.

Im Gegensatz zu einigen Anwesenden war der Saal nicht ganz voll. Schade, denn dann wäre die Stimmung vielleicht noch besser gewesen. Aber für einen netten Abend mit lustigen Gesprächen und ein bisschen Tanz hat es allemal gereicht.

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Viel Spaß hatten vor allem auch die Kellner, von denen sich viele total authentisch als Chinesen verkleidet hatten. ;-) Die haben jede Menge Fotos von den kostümierten Gästen gemacht. (Glaubt ja sonst zu Hause kein Mensch.) Bestimmt sind wir auch auf dem einen oder anderen!

Unser Fazit: Ein unterhaltsamer Abend, auch wenn die ganz große Überraschung ausblieb. Köln und Mainz müssen die Konkurrenz aus Shanghai (noch) nicht fürchten, die Globalisierung stößt hier an ihre Grenzen. Wenn "et Trömmelche jeht", ist man einfach besser in Deutschland.

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Zuletzt aktualisiert: 22. Jan, 00:16

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