Erdbeben
Noch bevor ich überhaupt dazu kam, an dieser Stelle über meinen neuen Job zu berichten, konnte ich heute in unserem Büro meine erste Erdbebenerfahrung machen. Unsere Geschäftsräume sind im 41. Stock eines Hochhauses, etwa zehn Gehminuten vom People's Park entfernt. Bislang hatte ich mir noch keine Gedanken über die Statik des Hauses gemacht, und wegen der liftfreundlichen Höhe hatte ich auch die Frage nach dem Treppenhaus noch nicht gestellt.
Gegen kurz vor drei heute Nachmittag hatte ich das Gefühl, das alles um mich herum etwas schwankte. Zuerst dachte ich, mir wäre vielleicht das Mittagessen beim Japaner (gegrilltes Hühnchen) nicht gut bekommen. Aber das schien es nicht zu sein, irgendwie schien meine Wahrnehmung noch ganz klar. Dann sah ich die Schnur, mit der wir den Rolladen aufziehen, die wie ein Pendel einige Zentimeter nach rechts und links schwenkte. Offenbar war tatsächlich das Gebäude in Bewegung!
Bei meinen Kollegen kam auch langsam Unruhe auf. Nach einer hektischen Bestandsaufnahme - unser Gebäude schwankt! - rafften wir persönliche Dinge wie Handy und Jacke zusammen und verließen eilig das Büro Richtung Treppenhaus - die Lifte schienen nicht das geeignete Fortbewegungsmittel. Zu diesem Zeitpunkt wussten wir natürlich nicht, was vor sich ging. Von oben hatte man nicht erkennen können, ob sich die Nachbargebäude auch bewegten. Deshalb war meine größte Angst, dass es sich um ein ernstes "Problem" mit unserem Gebäude handeln könnte. Für ein Erdbeben, dachte ich mir, hätte man möglicherweise beim Bau vorgesorgt.
Im Treppenhaus ging es über viele Stufen recht zügig nach unten. Ich habe die Minuten nicht gezählt, aber am Ende werden es doch einige gewesen sein. In jedem Stockwerk ordneten sich weitere Menschen in die lange Schlange der Flüchtenden ein. Dafür ging es aber sehr zivilisert zu, für chinesische Verhältnisse wirklich erstaunlich zivilisiert! Und trotzdem ein mulmiges Gefühl, als man nach unzähligen Treppenstufen erst das Schild "30 F" (für 30. Stock) passierte. Da war es bis nach unten noch ein weiter Weg...
Unglücklicherweise gab es in einigen Stockwerken im Treppenhaus kein Licht, aber offenbar hatten einige Leute Taschenlampen dabei. Ich hielt mich an einen Kollegen aus Kalifornien, weil ich bei ihm am ehesten Erdbebenkompetenz vermutete. (Zur Auswahl standen sonst noch ein Franzose und ein Däne...) Selbst in Bewegung merkte man gar nicht, ob das Gebäude weiter schwankte.
In den tiefer gelegenen Stockwerken kamen uns kurioserweise Leute entgegen, die unten offenbar gar nichts von den Schwankungen mitbekommen hatten. Trotzdem waren wir erleichtert, als wir schließlich den Vorplatz des Gebäudes erreicht hatten. Dort standen wir dann und schauten an der Fassade nach oben. Irgendwie hatte man immer noch das Gefühl, das sich der Boden bewegte. Aber vielleicht steckten uns auch einfach die Treppenstufen von 41. Stockwerken in den Beinen.
Da sich vor den Nachbargebäuden auch Menschentrauben gebildet hatten, war schnell klar, dass die Erschütterung zumindest unseren Straßenzug erfasst haben musste. "Wer weiß, wer da wieder eine U-Bahn gräbt," scherzten wir etwas erleichtert. Erst einige Minuten später sickerte langsam durch, dass es weit von uns entfernt ein schweres Erdbeben der Stärke 7,8 gegeben haben musste. Doch auf unseren Straßen herrschte Normalität (das übliche Chaos eben). Die Nachricht schien nur langsam die Runde zu machen, vielleicht hielt sich die Betroffenheit hier aber auch in Grenzen. Das katastrophale Ausmaß in der Provinz Sichuan wird ja auch erst in diesen Stunden sichtbar.
Von uns hatte keiner ein gutes Gefühl, dass Bürohaus heute noch einmal zu betreten. Die Frage war ohnehin, wer denn nun beschließen könnte, das alles sicher sei. Unser Chef verabschiedete uns also für diesen Nachmittag. Ich rief Bianka an, die ebenerdig von dem Beben gar nichts gemerkt hatte. Offenbar war die Erschütterung in Shanghai tatsächlich nur in den hohen Gebäuden spürbar.
Jetzt hoffen wir, dass es keine weiteren Nachbeben gibt. Ich habe für lange Zeit erstmal genug Erdbeben gehabt. Unser Fahrer berichtete uns heute Abend auf der Heimfahrt mit der ihm eigenen Ruhe, dass er in seinen 53 Lebensjahren in Shanghai noch nie ein Erdbeben erlebt habe. Das soll auch noch lange so bleiben.
Die Vokabel des Tages heißt "dìdòng" - "Erdbeben".
Gegen kurz vor drei heute Nachmittag hatte ich das Gefühl, das alles um mich herum etwas schwankte. Zuerst dachte ich, mir wäre vielleicht das Mittagessen beim Japaner (gegrilltes Hühnchen) nicht gut bekommen. Aber das schien es nicht zu sein, irgendwie schien meine Wahrnehmung noch ganz klar. Dann sah ich die Schnur, mit der wir den Rolladen aufziehen, die wie ein Pendel einige Zentimeter nach rechts und links schwenkte. Offenbar war tatsächlich das Gebäude in Bewegung!
Bei meinen Kollegen kam auch langsam Unruhe auf. Nach einer hektischen Bestandsaufnahme - unser Gebäude schwankt! - rafften wir persönliche Dinge wie Handy und Jacke zusammen und verließen eilig das Büro Richtung Treppenhaus - die Lifte schienen nicht das geeignete Fortbewegungsmittel. Zu diesem Zeitpunkt wussten wir natürlich nicht, was vor sich ging. Von oben hatte man nicht erkennen können, ob sich die Nachbargebäude auch bewegten. Deshalb war meine größte Angst, dass es sich um ein ernstes "Problem" mit unserem Gebäude handeln könnte. Für ein Erdbeben, dachte ich mir, hätte man möglicherweise beim Bau vorgesorgt.
Im Treppenhaus ging es über viele Stufen recht zügig nach unten. Ich habe die Minuten nicht gezählt, aber am Ende werden es doch einige gewesen sein. In jedem Stockwerk ordneten sich weitere Menschen in die lange Schlange der Flüchtenden ein. Dafür ging es aber sehr zivilisert zu, für chinesische Verhältnisse wirklich erstaunlich zivilisiert! Und trotzdem ein mulmiges Gefühl, als man nach unzähligen Treppenstufen erst das Schild "30 F" (für 30. Stock) passierte. Da war es bis nach unten noch ein weiter Weg...
Unglücklicherweise gab es in einigen Stockwerken im Treppenhaus kein Licht, aber offenbar hatten einige Leute Taschenlampen dabei. Ich hielt mich an einen Kollegen aus Kalifornien, weil ich bei ihm am ehesten Erdbebenkompetenz vermutete. (Zur Auswahl standen sonst noch ein Franzose und ein Däne...) Selbst in Bewegung merkte man gar nicht, ob das Gebäude weiter schwankte.
In den tiefer gelegenen Stockwerken kamen uns kurioserweise Leute entgegen, die unten offenbar gar nichts von den Schwankungen mitbekommen hatten. Trotzdem waren wir erleichtert, als wir schließlich den Vorplatz des Gebäudes erreicht hatten. Dort standen wir dann und schauten an der Fassade nach oben. Irgendwie hatte man immer noch das Gefühl, das sich der Boden bewegte. Aber vielleicht steckten uns auch einfach die Treppenstufen von 41. Stockwerken in den Beinen.
Da sich vor den Nachbargebäuden auch Menschentrauben gebildet hatten, war schnell klar, dass die Erschütterung zumindest unseren Straßenzug erfasst haben musste. "Wer weiß, wer da wieder eine U-Bahn gräbt," scherzten wir etwas erleichtert. Erst einige Minuten später sickerte langsam durch, dass es weit von uns entfernt ein schweres Erdbeben der Stärke 7,8 gegeben haben musste. Doch auf unseren Straßen herrschte Normalität (das übliche Chaos eben). Die Nachricht schien nur langsam die Runde zu machen, vielleicht hielt sich die Betroffenheit hier aber auch in Grenzen. Das katastrophale Ausmaß in der Provinz Sichuan wird ja auch erst in diesen Stunden sichtbar.
Von uns hatte keiner ein gutes Gefühl, dass Bürohaus heute noch einmal zu betreten. Die Frage war ohnehin, wer denn nun beschließen könnte, das alles sicher sei. Unser Chef verabschiedete uns also für diesen Nachmittag. Ich rief Bianka an, die ebenerdig von dem Beben gar nichts gemerkt hatte. Offenbar war die Erschütterung in Shanghai tatsächlich nur in den hohen Gebäuden spürbar.
Jetzt hoffen wir, dass es keine weiteren Nachbeben gibt. Ich habe für lange Zeit erstmal genug Erdbeben gehabt. Unser Fahrer berichtete uns heute Abend auf der Heimfahrt mit der ihm eigenen Ruhe, dass er in seinen 53 Lebensjahren in Shanghai noch nie ein Erdbeben erlebt habe. Das soll auch noch lange so bleiben.
Die Vokabel des Tages heißt "dìdòng" - "Erdbeben".
stolli - 12. Mai, 23:55
Ich habe - bewusst - bisher nur einmal ein Erdbeben erlebt hier... und das ungute Gefühl werde ich sicher nie vergessen, auch wenn ich nur zwei Stockwerke über dem Boden war.
Man mag sich gar nicht vorstellen, wie es wäre bei einem schweren Erdbeben nahe dessen Zentrums in einem Hochhaus zu sein...
Viele Grüße
Aurisa