Auftakt zur jährlichen Völkerwanderung
Es ist Donnerstag und normalerweise kommt donnerstags immer unsere Wäschefrau, um unsere Klamotten auf Vordermann zu bringen. Das funktioniert meistens wunderbar. Aber für diese Woche hat sie uns abgesagt, und für die nächsten zwei Wochen auch. Es ist "Spring Festival" am Ende des Monats, das chinesische Neujahrsfest, "golden week" und damit für die meisten Chinesen, die sonst kaum Urlaub haben, mindestens eine Woche frei.
Ling, das ist der Name unserer Wäschefrau, hatte sich in diesem Jahr relativ spontan entschlossen, in ihre Neujahrsferien zu starten. Sie will in ihre Heimatstadt irgendwo in Sichuan, wo ihre Eltern wohnen - und ihr kleiner Sohn. Sie sieht ihn nur ein oder zweimal pro Jahr, meistens - wie jetzt - zum Neujahrsfest und manchmal noch zur zweiten "golden week" im Oktober. In der übrigen Zeit kümmern sich ihre Eltern um die Erziehung des Kleinen.
So wie Ling geht es vielen Chinesen. Sie sind aus ihrer Heimat in die großen Städte gezogen, wo man etwas Geld verdienen kann. Die Frauen als Hausmädchen oder in der Gastronomie, viele Männer auf den unzähligen Baustellen. Zum Spring Festival fahren sie dann für ein paar Tage zurück zu ihrer Familie, sehen ihre Kinder wieder, bringen Geld und Geschenke mit und erzählen sicherlich vom Leben in der Stadt - und vielleicht auch, welche Unterwäsche die Menschen aus dem Westen am liebsten tragen.
Die Zahl der Reisenden, die sich zum Frühlingsfest auf den Weg machen, steigt von Jahr zu Jahr. Allein 188 Millionen Menschen werden in den nächsten Tagen mit der Eisenbahn unterwegs sein. Das entspricht etwa der Bevölkerung von Deutschland, Frankreich und Großbritannien! (Die staatliche Presse erwartet für alle Verkehrsmittel zusammen ein Volumen von insgesamt mehr als zwei Milliarden Einzelreisen!) An den Verkaufsstellen für die Fahrkarten bilden sich deshalb lange Schlangen. So lang, dass Viele dubiosen Händlern vertrauen, die mit dem Heimweh der Leute gute Geschäfte machen. Ling ist deshalb früh aufgebrochen; als es noch Tickets gab, die sie sich leisten konnte.
Wer nicht gerade Geld für den Flieger hat, verbringt viele Stunden in überfüllten Bussen und Zügen, auch wenn hunderte Sonderzüge verkehren. Alle hoffen, dass es nicht wieder einen schlimmen Wintereinbruch gibt wie im letzten Jahr, als Hunderttausende unterwegs tagelang festsaßen. Ansonsten kann die Völkerwanderung aber wohl bewältigt werden: Wegen der Wirtschaftskrise sind viele Arbeitslose schon früher zu ihren Familien zurückgekehrt, einige haben nach Neujahr keinen Job mehr und werden deshalb länger als gewöhnlich wegbleiben.
Ling wird hoffentlich zurückkommen. Schließlich haben wir auch in Zukunft schmutzige Hemden, die gewaschen und gebügelt werden wollen. Meistens donnerstags.
Ling, das ist der Name unserer Wäschefrau, hatte sich in diesem Jahr relativ spontan entschlossen, in ihre Neujahrsferien zu starten. Sie will in ihre Heimatstadt irgendwo in Sichuan, wo ihre Eltern wohnen - und ihr kleiner Sohn. Sie sieht ihn nur ein oder zweimal pro Jahr, meistens - wie jetzt - zum Neujahrsfest und manchmal noch zur zweiten "golden week" im Oktober. In der übrigen Zeit kümmern sich ihre Eltern um die Erziehung des Kleinen.
So wie Ling geht es vielen Chinesen. Sie sind aus ihrer Heimat in die großen Städte gezogen, wo man etwas Geld verdienen kann. Die Frauen als Hausmädchen oder in der Gastronomie, viele Männer auf den unzähligen Baustellen. Zum Spring Festival fahren sie dann für ein paar Tage zurück zu ihrer Familie, sehen ihre Kinder wieder, bringen Geld und Geschenke mit und erzählen sicherlich vom Leben in der Stadt - und vielleicht auch, welche Unterwäsche die Menschen aus dem Westen am liebsten tragen.
Die Zahl der Reisenden, die sich zum Frühlingsfest auf den Weg machen, steigt von Jahr zu Jahr. Allein 188 Millionen Menschen werden in den nächsten Tagen mit der Eisenbahn unterwegs sein. Das entspricht etwa der Bevölkerung von Deutschland, Frankreich und Großbritannien! (Die staatliche Presse erwartet für alle Verkehrsmittel zusammen ein Volumen von insgesamt mehr als zwei Milliarden Einzelreisen!) An den Verkaufsstellen für die Fahrkarten bilden sich deshalb lange Schlangen. So lang, dass Viele dubiosen Händlern vertrauen, die mit dem Heimweh der Leute gute Geschäfte machen. Ling ist deshalb früh aufgebrochen; als es noch Tickets gab, die sie sich leisten konnte.
Wer nicht gerade Geld für den Flieger hat, verbringt viele Stunden in überfüllten Bussen und Zügen, auch wenn hunderte Sonderzüge verkehren. Alle hoffen, dass es nicht wieder einen schlimmen Wintereinbruch gibt wie im letzten Jahr, als Hunderttausende unterwegs tagelang festsaßen. Ansonsten kann die Völkerwanderung aber wohl bewältigt werden: Wegen der Wirtschaftskrise sind viele Arbeitslose schon früher zu ihren Familien zurückgekehrt, einige haben nach Neujahr keinen Job mehr und werden deshalb länger als gewöhnlich wegbleiben.
Ling wird hoffentlich zurückkommen. Schließlich haben wir auch in Zukunft schmutzige Hemden, die gewaschen und gebügelt werden wollen. Meistens donnerstags.
stolli - 15. Jan, 13:54