Weil uns die Marktfrau auf dem Gemüsemarkt kein passendes Wechselgeld geben konnte, bekamen wir heute Abend anstelle von drei Mao (etwa 3 Euro-Cent) ein Bund Schnittlauch zu unseren Kartoffeln.
stolli - 13. Mai, 22:26
Noch bevor ich überhaupt dazu kam, an dieser Stelle über meinen neuen Job zu berichten, konnte ich heute in unserem Büro meine erste Erdbebenerfahrung machen. Unsere Geschäftsräume sind im 41. Stock eines Hochhauses, etwa zehn Gehminuten vom People's Park entfernt. Bislang hatte ich mir noch keine Gedanken über die Statik des Hauses gemacht, und wegen der liftfreundlichen Höhe hatte ich auch die Frage nach dem Treppenhaus noch nicht gestellt.
Gegen kurz vor drei heute Nachmittag hatte ich das Gefühl, das alles um mich herum etwas schwankte. Zuerst dachte ich, mir wäre vielleicht das Mittagessen beim Japaner (gegrilltes Hühnchen) nicht gut bekommen. Aber das schien es nicht zu sein, irgendwie schien meine Wahrnehmung noch ganz klar. Dann sah ich die Schnur, mit der wir den Rolladen aufziehen, die wie ein Pendel einige Zentimeter nach rechts und links schwenkte. Offenbar war tatsächlich das Gebäude in Bewegung!
Bei meinen Kollegen kam auch langsam Unruhe auf. Nach einer hektischen Bestandsaufnahme - unser Gebäude schwankt! - rafften wir persönliche Dinge wie Handy und Jacke zusammen und verließen eilig das Büro Richtung Treppenhaus - die Lifte schienen nicht das geeignete Fortbewegungsmittel. Zu diesem Zeitpunkt wussten wir natürlich nicht, was vor sich ging. Von oben hatte man nicht erkennen können, ob sich die Nachbargebäude auch bewegten. Deshalb war meine größte Angst, dass es sich um ein ernstes "Problem" mit unserem Gebäude handeln könnte. Für ein Erdbeben, dachte ich mir, hätte man möglicherweise beim Bau vorgesorgt.
Im Treppenhaus ging es über viele Stufen recht zügig nach unten. Ich habe die Minuten nicht gezählt, aber am Ende werden es doch einige gewesen sein. In jedem Stockwerk ordneten sich weitere Menschen in die lange Schlange der Flüchtenden ein. Dafür ging es aber sehr zivilisert zu, für chinesische Verhältnisse wirklich erstaunlich zivilisiert! Und trotzdem ein mulmiges Gefühl, als man nach unzähligen Treppenstufen erst das Schild "30 F" (für 30. Stock) passierte. Da war es bis nach unten noch ein weiter Weg...
Unglücklicherweise gab es in einigen Stockwerken im Treppenhaus kein Licht, aber offenbar hatten einige Leute Taschenlampen dabei. Ich hielt mich an einen Kollegen aus Kalifornien, weil ich bei ihm am ehesten Erdbebenkompetenz vermutete. (Zur Auswahl standen sonst noch ein Franzose und ein Däne...) Selbst in Bewegung merkte man gar nicht, ob das Gebäude weiter schwankte.
In den tiefer gelegenen Stockwerken kamen uns kurioserweise Leute entgegen, die unten offenbar gar nichts von den Schwankungen mitbekommen hatten. Trotzdem waren wir erleichtert, als wir schließlich den Vorplatz des Gebäudes erreicht hatten. Dort standen wir dann und schauten an der Fassade nach oben. Irgendwie hatte man immer noch das Gefühl, das sich der Boden bewegte. Aber vielleicht steckten uns auch einfach die Treppenstufen von 41. Stockwerken in den Beinen.
Da sich vor den Nachbargebäuden auch Menschentrauben gebildet hatten, war schnell klar, dass die Erschütterung zumindest unseren Straßenzug erfasst haben musste. "Wer weiß, wer da wieder eine U-Bahn gräbt," scherzten wir etwas erleichtert. Erst einige Minuten später sickerte langsam durch, dass es weit von uns entfernt ein schweres Erdbeben der Stärke 7,8 gegeben haben musste. Doch auf unseren Straßen herrschte Normalität (das übliche Chaos eben). Die Nachricht schien nur langsam die Runde zu machen, vielleicht hielt sich die Betroffenheit hier aber auch in Grenzen. Das katastrophale Ausmaß in der Provinz Sichuan wird ja auch erst in diesen Stunden sichtbar.
Von uns hatte keiner ein gutes Gefühl, dass Bürohaus heute noch einmal zu betreten. Die Frage war ohnehin, wer denn nun beschließen könnte, das alles sicher sei. Unser Chef verabschiedete uns also für diesen Nachmittag. Ich rief Bianka an, die ebenerdig von dem Beben gar nichts gemerkt hatte. Offenbar war die Erschütterung in Shanghai tatsächlich nur in den hohen Gebäuden spürbar.
Jetzt hoffen wir, dass es keine weiteren Nachbeben gibt. Ich habe für lange Zeit erstmal genug Erdbeben gehabt. Unser Fahrer berichtete uns heute Abend auf der Heimfahrt mit der ihm eigenen Ruhe, dass er in seinen 53 Lebensjahren in Shanghai noch nie ein Erdbeben erlebt habe. Das soll auch noch lange so bleiben.
Die Vokabel des Tages heißt "dìdòng" - "Erdbeben".
stolli - 12. Mai, 23:55
stollipolo - 9. Mai, 10:17
Ein Großteil der Geschäfte des Warenaustauschs und der Dienstleistungen des täglichen Lebens wird in den noch eher traditionell geprägten Stadtteilen Shanghais in kleinen Läden und sogar auf dem Bürgersteig abgewickelt. An zahlreichen Ecken haben sich Open-Air-Friseure mit ihren luftigen Salons zum Haareschneiden unter freiem Himmel niedergelassen. Das scheint bei gutem, trockenem Wetter durchaus angenehm zu sein, bei Regen jedoch eher ungemütlich.

Dafür dürfte sich im letztgenannten Fall aber die Frage des Figaro erübrigen: „Trocken- oder Nasshaarschnitt?“
stollipolo - 6. Mai, 00:01
Chinesen sind praktisch veranlagt. Wir treffen hier tagtäglich Kleinkinder – häufig auf der Mutter Arm – mit einem Schlitz im Hosenhinter(n)teil. Das muss wohl ungemein praktisch und der Entsorgung durchaus zuträglich sein, dürfte in der kalten Jahreszeit aber einen kalten Po verursachen, wenn die gesamte Anlage nicht rechtzeitig winterfest gemacht wird.
Irgendwie passen aber auch Schlitzhosen zu Schlitzaugen. Hauptsache keine Schlitzohren.
stollipolo - 5. Mai, 00:35
Nächste Woche wird Florian gleich zwei mal vom "Ernst des Lebens" eingeholt.
Am Montag hat er seinen ersten Arbeitstag in Shanghai! Ja, allen die es noch nicht von anderen Quellen erfahren haben sei hier berichtet, dass sich mein Herzallerliebster wieder in die abhänge Beschäftigung begibt. Aus mit dem langen Schlafen, ausgedehnten Frühstücken, Vormittage im Fitnesstudio verbringen und sich dann erst mal ausgiebig von den Strapazen des Laufbandes erholen, aus mit gemütlichem auf der Couch sitzen und "etwas am Computer machen" bis die Frau von der Arbeit nach Hause kommt. Jetzt beginnt wieder der Ernst des Lebens!
Etwas skuril ist es allerdings schon, denn er hat einen Job im Onlinemarketing bei einer französischen Firma angenommen, die Reisen in China vertreibt. Da muss man erst mal nach Shanghai ziehen, um dann neben dem Chinesich lernen auch noch sein Französich aufbessern zu müssen. C`est la vie!
Ich sehe dem mit etwas gemischten Gefühlen entgegen. Einerseits freue ich mich schon, dass das alles so super passt (vor allem in der Reisebranche, gibt es da für Familienangehörige Rabatte?!?) andererseits, wer kocht, macht die Wäsche, die Einkäufe und alles andere, was hier so täglich anfällt? :-)
Am Dienstag dann feiern wir gemeinsam mit Papa und Benni Florians 30. Geburtstag. Ein weiteres einschneidendes Erlebnis im Leben eines Mannes, das einem den Ernst des Lebens wieder mal vor Augen führt. Ich werde weiter berichten...
stolline - 3. Mai, 14:35
Der 1. Mai ist einer der wichtigsten offiziellen Feiertage in China, die mit einem freien Tag verbunden sind. So war gestern weit weniger Straßenverkehr als üblich. Die meisten Geschäfte hatten aber geöffnet. Wir arbeiteten uns dem Anlass gemäß auf dem Stoffmarkt durch.
1. Mai heißt in Frankfurt aber traditionell auch (noch) 'Rund um den Henninger Turm'. Dementsprechend waren wir selbstverständlich in Gedanken beim Radrennen, zumal wir tags zuvor selbst hier in Shanghai einige Henninger-Radler erspäht (und selbstverständlich mit der Kamera dokumentiert) hatten. :-)

Leider ist Henninger aber offensichtlich noch nicht so präsent wie die bayerische Konkurrenz, weshalb wir den Abend dann doch bei jener – im Hofbräuhaus Shanghai – ausklingen ließen.

Zum Ausklang des Feiertags hatten Bianka und Florian weder Kosten noch Mühe gescheut und eine einmalige Illumination der Huangpu-Ufer inszeniert: Huangpu in Flammen.

stollipolo - 2. Mai, 12:21
... haben wir mit Essen, Bier, Bruder und Vater im Hofbräuhaus Shanghai ausklingen lassen. Dank des tollen Wetters konnten wir sogar draußen auf der Terrasse am Fluss sitzen.

Ein Fahrradrennen "Rund um den Oriental Pearl Tower" wurde übrigens nicht ausgetragen. (Das wäre ein Gedrängel...). Dafür erstrahlten am Abend beide Ufer des Huangpu in Festbeleuchtung.
stolli - 2. Mai, 11:11